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Anisotherme Spannungsanalyse zur Charakterisierung lokaler Materialinhomogenitäten in Polymerblends

Ein Projektbericht von unserem Projektpartner dem Deutschen Institut für Kautschuktechnologie e. V.

Anisotherme Spannungsanalyse zur Charakterisierung lokaler Materialinhomogenitäten in Polymerblends mittels dynamischer Mikro-Indentation

Auftraggeber: Aif-ZIM-Kooperationsprojekt
Förderkennzeichen: ZF4369803GM9
Laufzeit 01.05.2019 – 30.04.2021

An Elastomerwerkstoffe im Automobil- und Maschinenbau sowie Baubereich werden hohe Anforderungen gestellt, da diese dynamisch und statisch stark beansprucht werden. Eine hohe Funktionssicherheit und Lebensdauer bei optimal an die Beanspruchung angepassten Eigenschaften ist dabei von hohem wirtschaftlichem und technischem Interesse.
Die Art der Kautschukmatrix, die Rezepturgestaltung und der Verarbeitungsprozess sind, neben dem Maß der chemischen Vernetzung und der Füllstoff-Matrix-Wechselwirkungen, wesentliche Parameter für die späteren Eigenschaften. Durch das Verschneiden von Kautschuken werden die physikalischen und chemischen Eigenschaften der beteiligten Polymere synergistisch oder zumindest additiv genutzt.
Die Art und Konzentration der Vulkanisationschemikalien auch unter Einbeziehung der Reaktivität des eingesetzten Polymers, die resultierende Vernetzungsdichte und deren Homogenität haben eine große Wirkung auf das mechanische Verhalten.

Bei exakter Kenntnis der Verteilung der Vernetzungsmittel und deren Reaktionskinetik in jeder Phase eines Polymerblends wäre eine Steuerung der Materialeigenschaften durch Variation der Rezeptur und der Verarbeitung im Vorfeld möglich, um z. B. die Lebensdauer und die Eigenschaften zu optimieren. Die Weiterentwicklung und Validierung der Mikroindentation ist hierbei eine vielversprechende Lösung. Der Vorteil dieser Methode wurde in ihrer schnellen und störungsfreien Handhabung liegen, für die keine größeren Probenpräparationen notwendig waren.

Hauptziel dieses Projektes ist es, durch die Entwicklung eines neuen Messverfahrens auf Basis der Mikroindentation, Phasenmorphologien, lokale Vernetzungsinhomogenitaten und Polymer-Füllstoffwechselwirkungen (Payne-Effekt) durch lokale dynamische Messungen zu charakterisieren. Hierfür soll eine neue Sensorik für die vorhandene Indentorapparatur inklusive Steuerungseinheit für höherfrequente dynamische Prüfungen und eine Temperiereinheit entwickelt werden (Projektpartner: Ludwig Nano Präzision GmbH).
Als ein Beispiel ist in Abbildung 1 die Untersuchung eines Vulkanisats mit einer nahe der Oberflache eingeschlossenen Glaskugel dargestellt.

Schnittbild der CT-Rekonstruktion eines Vulkanisats mit eingeschlossener Glaskugel

Abbildung 1: Schnittbild der CT-Rekonstruktion eines Vulkanisats mit eingeschlossener Glaskugel (ca. 0,4 mm)

Die Auswertung von Indentationsmessungen bei verschiedenen Eindringtiefen in Abbildung 2 zeigen, dass die Tastkraftverteilung eine Abhängigkeit von der Tiefe des Einschlusses aufweist. Mithilfe von mehrphasigen, vulkanisierten Kautschukverschnitten unter Variation der Phasenmorphologie, der Vernetzungsdichteheterogenität und der phasen- und mischprozessabhängigen Füllstoffdistribution soll diese anschließend validiert und optimiert werden.

Regression der Tastkraftverteilung bei variabler Eindringtiefe sowie weggesteuerter Messung und einem Nadelradius von 40 μm

Abbildung 2: Regression der Tastkraftverteilung bei variabler Eindringtiefe sowie weggesteuerter Messung und einem Nadelradius von 40 μm

Mithilfe der Finte-Elemente-Methode (FEM) im Vergleich mit Indentationsmessungen an geeigneten Demonstratorproben soll darüber hinaus ein Verständnis über den Einfluss von Inhomogenitäten – etwa von einem Steifigkeitsgradient senkrecht zur Oberfläche oder von Einschlüssen knapp unterhalb derselben – gewonnen werden und in diesem Zusammenhang eine Übertragungsfunktion der Geometrieparameter der Inhomogenitäten auf die Materialantwort bei der Indentation entwickelt werden.

Anhand von als Beispiel ausgewählten ungefüllten Blendsystemen auf Basis von epoxidiertem Naturkautschuk (ENR) und L-SBR, wurden die Mischbedingungen wie Rotordrehzahl und Mischzeit sowie Schwefelgehalt und Beschleunigertyp in Bezug auf die resultierende Domänengröße optimiert. Sowohl durch Messungen mit der dynamischen Differenzkalorimetrie als auch durch die Dynamisch-Mechanisch-Thermische Analyse konnte gezeigt werden, dass bei den Verschnitten zwei getrennte Domänen vorliegen. Hierbei zeigte sich, dass es durch die Vernetzungschemikalien zu einer größeren Glaspunktverschiebung des ENR kommt, was durch eine bessere Verträglichkeit zwischen Kautschuk und Vernetzungschemikalien oder durch eine höhere Vernetzungseffizienz des ENR erklärt werden kann, wodurch letztlich der ENR starker vernetzt und die Kettenflexibilitat stärker beeinträchtigt wird.

Der Einsatz von MBT statt CBS als Beschleuniger führte zu einer Verringerung der Domänengröße, was AFM-Aufnahmen zeigten. Daher ist MBT weniger zur Zielerfüllung des Projekts geeignet als CBS. Methodisch betrachtet hat sich bei den Indentormessungen gezeigt, dass kraftgesteuerte Messungen den weggesteuerten vorzuziehen sind, da eine geringere Streuung der Ergebnisse beobachtet wird. Insgesamt wird die Mehrphasigkeit der Systeme noch nicht gut widergegeben, da die Kautschukdomänen im Verhältnis der verwendeten Spitzendurchmesser zu klein sind (Abb. 3).

Diagramme zur Lokalen Steifigkeit

Abbildung 3: Lokale Steifigkeit von ENR und von ENR/L-SBR (50/50), aus kraftgesteuerter Indentormessung mit 25-μm-Nadel bei unterschiedlichem Messpunkt Abstand und Zeitdauer bis zum Erreichen von Fmax.

Gemas der TEM-Untersuchung liegen die Domänengrößen im Bereich von ca. 300 – 600 μm (Abb. 4).
Für die geplanten physikalischen Untersuchungen wurden gefüllte Systeme mit einem Füllgrad von 60 phr Kieselsaure und damit oberhalb der Perkulationsschwelle hergestellt.

Abbildung TEM-Aufnahme

Abbildung 4: TEM-Aufnahme des Blends ENR/SBR von 70/30 (helle Phase: ENR)

Erste Indentationsmessungen sowie FEM-Simulationen an Einschluss-Demonstratoren zeigen die Darstellbarkeit von Unterschieden in der Materialantwort in Abhängigkeit von den Eigenschaften der Inhomogenität.

Ein Projektbericht von unserem Projektpartner dem Deutschen Institut für Kautschuktechnologie e. V.

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